Wandel in Zentralasien

Am Mittwoch, den 15.01.2020 durften wir Prof. Dr. Tim Epkenhans vom Orientalischen Seminar der Albert-Ludwigs-Unversität Freiburg zu einem Vortrag zum zentralasiatischen Raum bei uns begrüßen. Prof. Epkenhans war lange Zeit selber in den zentralasiatischen -stan-Staaten unterwegs und konnte uns somit seine Expertise und Eindrücke aus erster Hand vermitteln.

Der Referent bot in seinen Ausführungen Einblicke in die postsowjetische Transformation, Migration, die Bedeutung des Islams, Außenpolitik - mit Schwerpunkt China - und die neue Zentralasienstrategie der EU.

Zu Beginn definierte er den zentralasiatischen Raum bestehend aus Kasachstan, Turkmenistan, Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan, als allesamt entstanden in der Zeit des frühen Stalinismus. Diese Staaten verfügen über eine sehr junge Bevölkerung mit einem medianen Alter zwischen 18 und knapp 30 Jahren (Vgl. BRD: 44 Jahre). Die wirtschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Lage variiere jeweils von Land zu Land, sei aber insgesamt durchwachsen. Einige Länder wären essentiell auf die Überweisungen von Arbeitsmigranten, insb. aus Russland angewiesen.

Für die nationale Identität sei weiterhin die Bedeutung der Sowjetunion sehr wichtig, deren Auflösung man nur unfreiwillig gefolgt sei. Die Führer einzelner Staaten würden zusätzlich die jeweils türkische oder „arische“ Abstammung betonen.

Die Arbeitsmigration sei vor allem seit dem Jahr 2000 angestiegen; teilweise seien bis zu 60-70% der erwerbsfähigen Männer im Ausland, v.a. in Russland, tätig. Die zurückgebliebenen Frauen hätten insbesondere auf dem Land nur einen mangelhaften Zugang zu medizinischer Versorgung. In Russland würden in den letzten Jahren die Probleme durch Xenophobie und die dortige Innenpolitik zunehmen.

Nach der Auflösung der Sowjetunion habe man ursprünglich weiterhin den Atheismus betont. Zuletzt gewinne aber oft der Islam wieder an Bedeutung und werde in einer besonderen Auslegung des Salafismus dazu genutzt, die Legitimation der Machthaber zu steigern. Eine der Auswirkungen sei, dass viele ausländische Rekruten des IS aus Zentralasien kamen. Der ehemalige IS-„Kriegsminister“ war sogar ein ehemaliges Mitglied der zentralasiatischen Elite.

Weiterhin ging Prof. Epkenhans auf die Bedeutung des Klimawandels für die Region ein: u.a. durch exzessiven Baumwoll-Anbau und die zunehmende Gletscher-Schmelze, zeichne sich ein zunehmendes Risiko für die Wasserversorgung ab.

Als letztes Themengebiet wurde die Außenpolitik beleuchtet. Diese sei „multivektoriell“. Die Nähe zu Russland zeige sich z.B. in der größten russischen Auslandsbasis in Tadschikistan und darin, dass viele zentralasiatische Staaten Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion seien. China hingegen habe zunächst v.a. diplomatisch-ökonomisch eine Rolle gespielt, fördere aber mittlerweile auch die Infrastruktur und sei ein Geldgeber, der keine Konditionen stelle. Anders sei hier die EU: Aufgrund der bisherigen Erfahrungen sei deren neue Zentralasienstrategie sehr defensiv, nach dem Motto „Wenn sie wollen“. China sei hier ein unkritischerer Gegenspieler. Ein zentrales Problem der Strategie sei allerdings die Schwerpunktsetzung der Analysekapazitäten der EU auf aktuelle Entwicklungen in anderen Regionen. Eine Kooperation mit China sei derzeit nicht gegeben und es gäbe auch keine gemeinsame politische Plattform zur Koordination.