Veranstaltungsbericht Kasachstan und die postsowjetischen Staaten Zentralasiens

 „Kasachstan und die postsowjetischen Staaten Zentralasiens“ mit Prof. Tim Epkenhans vom 25.01.2022

„Die deutsche Außenpolitik hat kein Interesse mehr an der Region nach dem Abzug aus Afghanistan“ mit diesen Worten resümierte Prof. Epkenhans das deutsche Interesse an der aktuellen Entwicklung im zentralasiatischen Raum. Prof. Dr. Tim Epkenhans ist Professor für Islamwissenschaft mit dem Schwerpunkt Mittelasien an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zuvor war er unter anderem Direktor der OSZE-Akademie in Bischkek in Kirgistan und Referent an der deutschen Botschaft in Tadschikistan. In seiner Person vereint sich damit akademisches und praktisches Wissen über die Region in einem.

 

Im Rahmen der Online-Veranstaltung „Kasachstan und die postsowjetischen Staaten Zentralasiens“ der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Freiburg (HASF) erläuterte Prof. Epkenhans vor etwa 20 Teilnehmenden die Hintergründe der Entwicklungen in Kasachstan und in der Region im Allgemeinen. Das Hauptaugenmerk dabei lag auf den innenpolitischen Hintergründen Kasachstans, welche Prof. Epkenhans als von „innerelitären Konflikt geprägt“ beschrieb. Dieser Punkt sorgte in der an den Vortrag anschließenden Diskussionsrunde bei den Teilnehmern für Überraschung und rege Nachfragen, da fälschlicherweise oft davon ausgegangen wurde, dass es sich bei den Treibern der Proteste in Kasachstan um eine innenpolitische Oppositionsbewegung handelte. Mithilfe Robert Puttnams Konzept des fehlenden „bridgings“ zwischen den kleinen, marginalen Oppositionsgruppen erläuterte Prof. Epkenhans die derzeitige Situation in Kasachstan. Einige Oppositionsgruppen sind im Exil im Ausland und die im Land verbliebenen Gruppen fehlt es an wirklichen Bindungen über den oppositionellen Charakter hinaus, welche eine funktionierende Oppositionsbewegung benötigt.

 

Durch seinen Hintergrund als Islamwissenschaftler ging Prof. Epkenhans auch auf die überraschend präsente Rolle des Islams im autokratischen Kasachstan und bei den Protesten ein. So dient „Religion als sozialer, ländlicher Treffpunkt für die Rekrutierung junger Männer“ in den Protesten, die von der Gruppe um den ehemaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew benutzt wurden. Dabei unterstrich Prof. Epkenhans, dass der Unmut durch die lange im Voraus angekündigte Steigerung des Gas-Preises von Seiten der Anhänger Nasarbajews dazu gekapert wurde, mithilfe jener jungen Männer die „zivilgesellschaftlichen Proteste zu marginalisieren“ und sie so zu einem innerelitären Machtkampf zu machen. Somit lässt sich auch der Hilferuf nach Unterstützung des OVKS durch den kasachischen Präsidenten Toqajew erklären, der für Prof. Epkenhans überraschend schnell kam und ein Indiz für fehlenden inneren Rückhalt Toqajews darstellte, was nach den ausführlichen Einblicken für alle Anwesenden einleuchten war und eine neue Sichtweise auf den Konflikt erlaubte.

 

Nach der an Prof. Epkenhans Vortrag anschließenden Diskussionsrunde zeigten die Teilnehmenden sich dankbar für den wissenschaftlich fundierten und praxisnahen Einblick in die Geschehnisse Kasachstans und Zentralasiens, dass für die meisten eher ein weniger bekanntes Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik aus deutscher Sicht darstellte. Die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Freiburg (HASF) dankt Herrn Prof. Epkenhans für sein erneutes Engagement in der außen- und sicherheitspolitischen Hochschularbeit im Rahmen einer unserer Veranstaltungen.