Comeback der OSZE am 18.07.2016

Am 18.07.2016 war Gernot Erler zu Gast bei unserer Veranstaltung und sprach über die OSZE und die Schwierigkeiten der Diplomatie in Zeiten der Ukraine-Krise.

Seit einiger Zeit verschärft sich die außenpolitische Lage in Europa. Nicht nur angesichts größerer Migrationsströme aus der südlichen Nachbarschaft und sich häufender Terroranschläge in Mitteleuropa, sondern auch durch die russische Aggression im Osten Europas, vor allem in der Ukraine, verschieben sich die Fronten in der europäischen Politik. Der Vortrag über die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) konnte einem interessierten Publikum Informationen über eine internationale Organisation liefern, die momentan im Grunde das einzige internationale Forum bietet, in dem die USA, Russland und Europa informell über ihre Beziehungen verhandeln können.

Für den Vortrag über die OSZE war das Format eines Werkstattberichts vorgesehen. Denn nicht nur hat die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr den Vorsitz bei der OSZE inne, sondern die Bundesregierung ernannte ausgerechnet den Freiburger MdB Gernot Erler zu ihrem Sonderbeauftragten für die OSZE. Unser Gastredner, Herr Erler, sparte auch nicht mit Geschichten aus dem Nähkästchen seiner täglichen Arbeit und bot seinen Zuhörern einen guten Überblick über die Struktur und Arbeit, die Rolle und die Perspektiven der OSZE, allen voran bei der Beilegung des Konfliktes in der Ukraine.

Herr Erler gliederte seinen Vortrag in drei Teile. Zunächst gab er einen faktischen Überblick über die Geschichte, den Aufbau und die Finanzierung der OSZE sowie Schwierigkeiten, die sich durch ihre Konzipierung ergeben. Als Produkt einer Entspannungsphase des Kalten Krieges hatte die (damals noch) KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) eine deeskalierende Wirkung auf die außenpolitischen Reibungen der Sowjetunion und der Ostblockstaaten mit den Staaten des Westens. Man versprach sich die Wahrung von Souveränität und Rechten und verständigte sich auf den Rückgriff auf diplomatische Mittel der Kommunikation und Konfliktbeilegung. All diese Vereinbarungen sollten in den Bereichen demokratische Institutionen und Menschenrechte, Wirtschaft und Umwelt, nationale Minderheiten sowie der Medien gelten. Allerdings bleibt die OSZE bis heute ein Zwerg unter den internationalen Organisationen mit einem Budget von diesjährlich nur 141 Mio. Euro. Verbindliche Instrumente stehen der OSZE nicht zur Verfügung, oft ist ihre Arbeit mühsam, da nur einstimmige Beschlüsse (bei 57 Teilnehmern!) angenommen werden. Berühmt ist sie vor allem für ihre Konflikt- und Wahlbeobachter auf ihrem Teilnehmergebiet.

Die OSZE beschäftigt sich heute neben ihrer Alltagsarbeit vor allem mit Crisis-Management in der Ukraine. Deswegen zeichnete Herr Erler im zweiten Teil seiner Rede die Präsenz der OSZE in der Ukraine seit der Eskalation der Situation im Frühjahr 2014 nach. 37 SMM-Beobachter (Special Monitoring Mission) befinden sich mittlerweile in der Ukraine und stellen die einzige Quelle der OSZE über die Fakten zu Waffen und Gefechten des Krieges zwischen Separatisten und Ukrainern dar. Zudem wacht die OSZE in Minsk über die Dialoge der Russen mit den Ukrainern und bietet das einzige noch bestehende internationale Forum, in dem Russland noch über seine Außenpolitik Stellung nehmen und sich mit den USA und Europa unterhalten kann.

Herr Erler kam zuletzt auf die Perspektiven der OSZE zu sprechen und kam zu dem Schluss, dass zumindest in diesem Jahr keine Lösung für die Probleme in der Ukraine gefunden werden würden. In der Diskussion wurde klarer, was Gründe hierfür sein könnten. Auf dem Rücken der OSZE würde versucht, kleinteilig Konflikte zwischen Nationen auszutragen, beispielsweise jener zwischen Aserbaidschan und Armenien, was die OSZE behindere. Außerdem sei wohl zu erwarten, dass Russland im Fall der Ukraine, wie auch schon im Falle Georgiens und weiterer, den Konflikt würde am Laufen halten wollen, um eine Annäherung des Landes an die EU langfristig zu verhindern – ein sogenannter „protracted conflict“ würde entstehen.

In der übrigen Diskussion beantwortete Herr Erler Fragen bspw. zur Rolle der USA im Ukraine-Konflikt oder zu Details der Beobachtermissionen. Er betonte auch seine Besorgnis über den Eskalationscharakter, den die Ereignisse in den außenpolitischen Beziehungen Russlands zum Westen aufzeigten und nannte das Beispiel der außenpolitischen Eskalation zwischen der Türkei und Russland seit November 2015. Er drückte seine Sorge über die Spaltung zwischen Russland und anderen Nationen der OSZE, die ihre Risse durch die Region der östlichen Meere ziehe, aus und betonte die Wichtigkeit diplomatischer Anstrengungen und der OSZE als Forum friedlicher Beilegung und Kontaktaufnahme.