Aufrüstung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg

Am Donnerstag, den 07. Februar, sprach auf Einladung der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Herr Dr. Dieter Kollmer an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg über die Rüstungspolitik Deutschlands seit dem 2. Weltkrieg. Dr. Dieter Kollmer arbeitet für das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Dort leitet Herr Dr. Kollmer seit 2013 das Forschungsprojekt "Geschichte der Bundeswehr" und geht Lehraufträgen an der Universität Potsdam und der Universität der Bundeswehr München nach. Außerdem ist er der Herausgeber des vielbeachteten Buches "Militärisch-Industrieller Komplex? Rüstung in Europa und Nordamerika nach dem Zweiten Weltkrieg", das 2015 erschien und mittlerweile als Standardwerk zu diesem Thema gilt. Somit gilt Herr Dr. Kollmer als Experte auf dem Gebiet der deutschen Rüstungspolitik.

Nach einer kurzen Einführung und Vorstellungsrunde, in der Herr Dr. Kollmer unter anderem die Arbeit und den Aufbau des ZMSBw erläuterte, begannen wir mit dem Hauptthema des Abends, der Entwicklung der Rüstungspolitik in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. 

Zuerst berichtigte Herr Dr. Kollmer einige Mythen und Falschinformationen die in der breiten Bevölkerung zum Thema Rüstung und Bundeswehr existieren, z.B. dass 2% des BIP für Rüstung ausgegeben werden, obwohl diese in der Öffentlichkeit viel wiederholten 2% für die gesamten Militärausgaben stehen. Durch dieses und weitere Beispiele wurde verdeutlicht, dass es gerade beim Thema Militär und Rüstung häufig zu falschen oder inakkuraten Darstellungen kommt. Wichtig in seinem gesamten Vortrag war es Herr Dr. Kollmer außerdem die Komplexität der Rüstungspolitik zu betonen, welche oft zu vereinfacht dargestellt wird. So mischen sich in der Rüstungspolitik viele verschiedene Interessen und Interessenvertreter wie die Bundeswehr, das Wirtschaftsministerium aber auch Länder und Firmen immer wieder ein. Gerade beim Thema Rüstungsbeschaffung und Rüstungsexporte wurden in der Vergangenheit Entscheidungen nicht nach rein strategischen, sondern zunehmend ökonomischen Betrachtungen gefällt. Ein weiterer auf die Rüstungspolitik einwirkender Faktor ist die Anpassung an NATO-Strategien. Somit ist im Endeffekt bei Rüstungsüberlegungen was das Militär will und braucht nicht allein ausschlaggebend. 

 

Nach diesen allgemeineren Ausführungen ging Herr Dr. Kollmer nochmal genauer auf die Entwicklung der Rüstungspolitik in Deutschland ein. Ihm nach kann die deutsche Rüstungspolitik und –entwicklung seit dem 2. Weltkrieg grob in 5 Phasen aufgeteilt werden:

 

1. Aufbauphase 1955 – 1961

In dieser ersten Phase ging es vor allen darum Rüstung für Abschreckungszwecke zu betreiben. Da die nationale Industrie zerstört war mussten neue Strukturen aufgebaut werden, was mit zum wirtschaftlichen Nachkriegsboom beitrug. Deutschland selber durfte jedoch keine Rüstungsindustrie aufbauen und musste Waffen einkaufen. Dadurch existierten in Deutschland ein internationaler Waffenmix und eine „bunte Truppe“, in der sogar nicht mal die Uniformen einheitlich waren.

 

2. Nationale Bestrebungen 1960 – 1966

Bedingt durch sich häufende Krisen z.B. 1961 Bau der Mauer, 1963 Kubakrise, entwickelten Deutschland und deutsche Unternehmen ein verstärktes Interesse daran Rüstungsgüter selber herzustellen. Auch durch die neue NATO-Strategie der „flexible Response“ änderte sich die Einstellung zur Rüstung im Land und der Bevölkerung. Deutschland baute verstärkt eigenes Wissen und Talent auf.

 

3. Multinationale Phase 1967 – 1990

Da militärische Geräte zunehmend teurer wurden und die Strategie der NATO nach vertiefter Kooperation verlangte, sollten militärische Geräte verstärkt gemeinsam entwickelt, gebaut und genutzt werden um unter anderen von multinationalen Skalenerträgen zu profitieren. In diese Phase kam es zur ersten Rundumerneuerung der Bundeswehr und einer schrittweisen Etablierung einer Rüstungsindustrie in Deutschland.

 

4. Armee der Einheit 1990 – 2000

Im Zuge der Wiedervereinigung wurde die Nationale Volksarmee der DDR aufgelöst. Geeignete Soldaten und geeignetes Material wurden von der Bundeswehr übernommen.  Beeinflusst durch die Idee des demokratischen Friedens gingen die Ausgaben und Unterstützung für das Militär stark zurück. Gleichzeitig technisierte sich das Militär verstärkt und das Rüstungsmaterial wurde weiterhin teurer.

 

5. Einsatzarmee 2002 

Heute In der letzten Phase steht die Rüstungspolitik zunehmend vor Herausforderungen. Mit dem Scheitern der Theorie des ewigen Friedens braucht man wieder verstärkt neue Ausrüstung, auch für neue Aufgaben und „neue Kriege“. Zeitgleich ist die Bundeswehr aber stark unterfinanziert, weshalb Geräte veralten und nicht in Stand gesetzt werden und weiteres Personal abgebaut wird.  Auch lässt sich in der Rüstungsindustrie ein Privatisierungsschub beobachten und es kommt zunehmend zur „freihändige Vergabe“ von Rüstungsaufträgen.  

 

Zu Letzt wies Herr Dr. Kollmer auf folgende Punkte hin: Generell kann man eine signifikante Steigerung der Rüstungsausgaben feststellen (unter Einberechnung der Inflationsrate). Zwar kann man von der Etablierung einer deutschen Rüstungsgüterproduktion sprechen, aber nicht von einer eigenständigen Rüstungsindustrie, da es keine Verzahnung zwischen Staat und Industrie gibt. Die deutsche Rüstungspolitik musste sich seit dem 2. Weltkrieg an neue Herausforderungen und moderne Zeiten anpassen und muss dies weiterhin tun. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Privatisierung von Teilen der Rüstungswirtschaft. 

Zum Abschluss der Veranstaltung dankte Michael Bruske dem Referenten und den anwesenden Interessierten für ihre Teilnahme an der Veranstaltung. Des Weiteren wurde dazu eingeladen die Diskussion gemeinsam mit dem Referenten noch in einer gastronomischen Einrichtung Freiburgs zu vertiefen.